Picea abies

 

Alter:
Höhe:
Herkunft:
gestaltet seit:

 

ca. 35 Jahre
80 cm
Yamadori
Herbst 2004

 

Diese Fichte erwarb ich im Herbst 2004 in München, als jemand seine Bonsai-Sammlung auflöste. Sie war vor etwa 18 Jahren als Yamadori in den Alpen gesammelt und seither in einem Topf kultiviert worden. Ich war mir nicht ganz sicher, was ich mit ihr anfangen sollte, denn eigentlich hatte ich einen Wacholder kaufen wollen, der mir gut gefiel. Nur hatte die Sache einen Haken - der Baum musste abgeholt werden. Da ich nicht wegen eines einzelnen Baumes nach München fahren wollte und der Preis in Ordnung war, kaufte ich diesen Baum gleich mit. Außerdem nutzte ich die Fahrt nach München zu einem Besuch bei Walter Pall, der mir wertvolle Hinweise zur Gestaltung des Baumes gab.

Die Pflanze glich am Anfang eher einem Weihnachtsbaum als einem Bonsai. Der Stamm war für die gewählte Silhouette zu schmal und außerdem störte eine dicke und hoch ansetzende   Wurzel, die auf der gewählten Vorderseite direkt auf den Betrachter zuragte. Trotz dieser offensichtlichen Mängel hatte mich die Fichte fasziniert. Auf Grund ihres Alters von etwa 35 Jahren hatte sie eine Ausstrahlung wie nur wenige meiner Bonsai. Sie wirkte wild und ein wenig streng. Diese Ausstrahlung nahm ich als Ausgangspunkt der Gestaltung - hier lag für mich das Potential dieses Baumes. Außerdem war der Stamm sehr gerade gewachsen und verjüngte sich ganz ordentlich, also genau richtig für eine streng aufrechte Form. Ich stelle mir eine zukünftige Form vor, die auf der rechten Seite eine tief herabgezogene Krone besitzt, während die Krone auf der linken Seite eher hoch ansetzt und sich dort eine ausgeprägte Shari-Partie befindet, als wäre die linke Seite die Wetterseite. Das würde die von mir empfundene wilde Ausstrahlung des Baumes unterstreichen.

Doch zunächst muss die Vorderseite gewählt werden. Dabei spielen die Äste eine untergeordnete Rolle, da ausreichend Äste zur Gestaltung der Krone vorhanden sind. Bei der Betrachtung des Stammansatz fällt auf, daß bei der gewählten Vorderseite der Stamm nach rechts in das Erdreich verläuft, während als Gegenstück zu dieser Bewegung auf der linken Seite eine Wurzel ansetzt. Insgesamt kann man damit den Eindruck einer stabilen Stammbasis erzeugen. Nachteil: eine hoch ansetzende Wurzel, die auf den Betrachter zuragt. 

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Nach der Entfernung der störenden Wurzel hat der Baum an seinem Ansatz erheblich an Ausstrahlung gewonnen.

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Im nächsten Schritt werden die unteren Äste entfernt. Das Problem bei diesen Ästen liegt darin, daß die Benadelung sehr weit außen ansetzt und sich daher keine kompakte Krone formen lässt. Außerdem hat eine im Gebirge wachsende, alte Fichte eher stark herabhängende Äste, vor allem im unteren Bereich. Die dort ansetzenden Äste sind jedoch sämtlich waagerecht und zu lang. Ich entferne sie also und lasse nur Stümpfe stehen, die später zu kurzen Yin geformt werden.

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Nach der Entfernung der unteren Äste besteht der nächste Schritt darin, die verbliebenen Äste zu drahten und herabzuspannen, um den Eindruck eines alten Baumes zu erzeugen. Da der Stamm sehr schmal ist, muß der Baum auch eine relativ schmale Kronensilhouette bekommen, um ausgewogen zu wirken.

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An dieser Stelle ist die Entscheidung über die Gestaltung der Baumspitze zu treffen. Eine Möglichkeit besteht in der Gestaltung eines Spitzen-Yin, die andere Möglichkeit ist die Formung einer lebenden Spitze. Ich entscheide mich zunächst für die zweite Variante und drahte auch die beiden Kronenäste nach unten. Im zeitigen Frühjahr werde ich den hinteren Teil der Krone entfernen, da die hier ansetzenden Äste bereits zu stark und unflexibel zum Drahten sind, und den vorderen Ast zur neuen Spitze hochdrahten. Die Zweige dieser neuen Spitze sind noch weich und flexibel, so daß ich die Spitze gut gestalten kann. Die Schnittstelle befindet sich dann auf der Rückseite des Baumes.

Zum Abschluss der Grundgestaltung wird die Schnittstelle der Wurzel zu einem kleinen Shari auf der Vorderseite des Stammes gestaltet.

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Damit ist die Grundgestaltung dieser Fichte zunächst abgeschlossen. Ich hoffe nun, daß sie reichlich neue Triebe ansetzt und im Frühjahr gut austreibt. Wenn sie sich gut erholt hat, topfe ich die Fichte im Herbst 2005 in ihre vorläufige Schale um. Diese ist noch zu hoch, aber sie erlaubt mir, den Wurzelballen der Fichte langsam und allmählich flacher zu gestalten. Das folgende Bild zeigt eine Fotomontage der Fichte in ihrer vorläufigen Schale.

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In weiterer Zukunft stelle ich mir einen Baum vor, der auf der linken Seite eine lange Shari-Partie und nur noch wenige Kronenäste hat, weil diese Seite dem rauhen Klima ausgesetzt ist. Auf der rechten Seite dagegen sind die Äste etwas länger gewachsen und die Rinde des Baumes ist unverletzt geblieben. Dazu passt eine flache, rechteckige Schale von klarer, strenger Linienführung und mit rauher Textur.

August 2005, fast ein Jahr nach der Grundgestaltung:

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